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Masako Ohta: Sonnengeküsste Überraschungsmatinee

10.08.2017 | Ein Beitrag von Ines Wagner

Konzert in Bayrischzell

Rätsel: Ein Hauch von Grün, perlende Klaviertöne, Sonnenlichtflackern und Entengeschnatter – was ist das? Die Pianistin Masako Ohta bei einem Konzert am Sonntagmorgen an einem der idyllischsten Veranstaltungsorte im Landkreis. Ein Sommermärchen.

Sie hat das Matineekonzert wie ein Sushikoch zusammengestellt, sagt die in München lebende Japanerin. Und zwar: intuitiv. All das, was sie meint, das heute, jetzt, in diesem Moment den Gästen schmecken könnte. „Eine fröhliche Überraschung“ – so auch der Titel der überraschungsreichen und akustisch köstlichen Matinee.
Etwa vierzig Gäste des Tannerhofs und der Umgebung sitzen entspannt auf Stühlen, Sesseln, Sofas und lauschen den vertrauten, den fremden, den fröhlichen und geheimnisvollen Klängen, die Masako Ohta dem Klavier entlockt. Und nicht nur dem Klavier.

Die Stille, im Stein zittert Zirkadengesang.

Zwischen den Stücken trägt sie japanische Haikus vor. Fünf-sieben-fünf ist der Silbenrhythmus eines Haikus. Und die fremde Sprache in ihrer fremden Intonation verzaubert. Masako Ohta muss nicht laut sprechen, die Alte Tenn am Tannerhof hat eine hervorragende Akustik. Sie kann die fremden, geheimnisvollen Haikus leise und ruhig vortragen, fast flüstern. Und die Übersetzung ins Deutsche bleibt fast ebenso geheimnisvoll, etwa: „Duft des Windes, nah zum Süden der Mogami Fluss.“
Masako Ohta war eine Woche in „Residency“ in Bayrischzell – eine Möglichkeit, die der Tannerhof herausragenden Künstlern zum Proben, für Kurse und auch für Konzerte bietet.
Einige der Gäste der musikalischen Sonntagsmatinee haben ihr Seminar „Ganzheitliches Klavier, Japanische Kalligrafie und Tai Chi“ besucht. Auch in diesem Seminar geht es um Haikus. Sie sind fest verankert in der japanischen Kultur und in Masako Ohtas künstlerischem Schaffen. Ihre Philosophie gibt sie gern weiter.

Für die Matinee hat sich die Pianistin eine ganze Reihe von Noten zurechtgelegt. Aus denen greift sie, ihrer Stimmung folgend, Blätter heraus und reiht eine Prelude von George Gershwin – für die Jazzfans – an eine perlende Prelude von Johann Sebastian Bach. Lässt ein leidenschaftliches andalusisches Rondo von E.Granados auf die stillen, minimalistischen Klänge von Arvo Pärts „Für Alina“ folgen. Und auf Beethovens „Für Elise“, das wir so noch nie gehört haben, eine Mazurka von Frédéric Chopin.

In den ungewöhnlichen Improvisationen Masako Ohtas, die sie mit verschiedensten renommierten Künstlern spielt, liegt ein schier unerschöpfliches Spektrum ihres Könnens.
Und die Vielfalt ihres klassischen Repertoires scheint ebenso uferlos. Nach hochanspruchsvollen Stücken von Camille Saint-Saëns, Maurice Ravel und Edvard Grieg führt sie ihre Zuhörer in die Japanische Gegenwartsklaviermusik ein mit Stücken von Toru Takemitsu und Ryuichi Sakamoto. Die Noten ihrer Lieblingskomponisten wie Ravel, Chopin und Takemitsu muss sie nicht lesen, die trägt sie tief in sich.

Ein Konzert für geschlossen Augen und offene Ohren

In die Stille zwischen den Klaviertönen tropft die Zeit und draußen schnattern ab und an melodisch die Laufenten. Selbst die jungen Stiere vorm Fenster auf der Wiese mit ihrem glänzenden Fell scheinen sich an dem sommerlichen Konzert zu erfreuen. Sie nicken bedächtig und weise zu den Haikus. Eine perfekte Matinee an einem perfekten Sommersonntagmorgen.


© 10.08.2017 | Ein Beitrag von Ines Wagner
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