Originalartikel aus www.sueddeutsche.de/kultur/performance-der-sound-der-triebwerke-1.3949424

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18. April 2018, 18:49 Uhr
Performance
Der Sound der Triebwerke

Der Musiker und Komponist Markus Muench gestaltet gemeinsam mit der Pianistin Masako Ohta und Audio-Files der Mondmissionen ein musikalisches Expeditionsprogramm
Von Jürgen Moises

US-Präsident Donald Trump verkündete im vergangenen Dezember, dass er bald wieder amerikanische Astronauten auf dem Mond sehen will. Seine Begründung: "Diesmal werden wir nicht nur unsere Fahne aufstellen und unsere Fußabdrücke hinterlassen, sondern auch das Fundament für eine mögliche Marsmission legen." Die Reaktionen darauf waren, wie so oft bei Trump, gespalten. Während die einen darin ebenfalls einen wichtigen Schritt in Richtung Mars sehen, fragen sich andere, wer das finanzieren soll und sehen schon andere wissenschaftliche Projekte gefährdet. Und tatsächlich kann man sich fragen, wem das Ganze wirklich dient: der Wissenschaft oder eher dem aufgekratzten Ego eines Präsidenten, der damit möglicherweise auch der kommunistischen Konkurrenz eins auswischen will.
Denn bekanntlich arbeiten auch China und Nordkorea an Mondfahrtprogrammen. Und auch, wenn es sich mit den 60er-Jahren nicht vergleichen lässt, könnte man fast meinen: Uns steht ein neuer Wettlauf zum Mond bevor. Einer, der im nächsten Jahr wohl noch zusätzlichen Schub bekommt. Steht am 20. Juli 2019 doch der Tag an, an dem sich die erste Mondlandung zum 50. Mal jährt. Das heißt: Die Mondanziehungskraft wird so und so in nächster Zeit stärker, und tatsächlich hat sie auch schon einige Künstler erfasst. Ein Beleg dafür ist der kürzlich auf Deutsch erschienene Roman "Moonglow" von Michael Chabon, in dem der Mondflug von Apollo 11 eine wichtige Rolle spielt. Ein weiterer ist das Musikprojekt "lunar_" von Markus Muench, das an diesem Freitag im Einstein Kultur mit "lunar_samples" startet.

Auch Muench versteht nicht so recht, was Trump auf dem Mond will. Aber auf Nachfrage meint der in Erding lebende Musiker und Komponist, dass es wohl doch eine politische Prestige-Geschichte ist. Und weil die Zeit seiner Präsidentschaft für die erste Marsmission nicht reicht, muss es eben der Mond sein. Für "lunar_" war der US-Präsident trotz allem nicht Impulsgeber. Denn die Idee zu seinem musikalischen Mondfahrtprogramm hat Muench schon einige Monate vor Trump gehabt. Anlass dafür, sagt er, war in der Tat das Wissen um das Jubiläum. Das hat ihn dazu gebracht, im Internet nach Audiomaterial von den Mondfahrten zu schauen, und das Ergebnis waren: 800 Audio-Files mit einer Dauer von jeweils vier Stunden.
Den Flug von Apollo 17 gibt es unter apollo17.org sogar komplett als Multi-Media-Real-Time-Event. Diese Unmenge an Material ist vorwiegend dem 40. Jubiläum der ersten Mondlandung zu verdanken. Denn damals haben sich, so Muench, Leute von der Nasa die Arbeit gemacht, das alles ins Internet zu stellen und das auch noch in hochqualitativen Wave-Files. Nur eines davon herunterzuladen, hat laut Muench "vier bis fünf Stunden gedauert. Mein Rechner war wirklich monatelang mit diesen Downloads besetzt". Und danach musste er sich das Material ja auch noch anhören. Was er darauf gesucht hat, war ihm selber nicht ganz klar. Er wusste nur: Es sollten nicht die altbekannten Dinge sein. Wie etwa Neil Armstrongs berühmter Satz: "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit".

Was man nun an diesem Freitag beispielsweise hört, das sind überraschend witzige Gespräche zwischen Astronauten, die beim Suchen nach Gesteinsproben entstanden sind. Oder die Gleichlaufschwankungen des Originaltonbands. Gerade solch unerwartete Klänge faszinieren Markus Muench, der Violine in München und Würzburg sowie Radio-Musik-Journalismus in Karlsruhe studiert und in verschiedensten Formationen wie 48 Nord, Ensemble Resonanz oder dem BR-Sinfonieorchester gespielt hat. Außerdem hat ihn schon immer die Arbeit mit Dokumenten fasziniert, wie man sie auch bei Steve Reich oder Matthew Herbert findet, und die Muench mit dem Vorgehen eines Bildhauers vergleicht. Nur arbeitet man statt mit Stein oder Holz mit Klängen, mit denen man dank heutiger Technik "alles Mögliche machen kann".
Auch das Mondmaterial hat Markus Muench technisch verändert. Und er hat daraus eine aus vier Kapiteln bestehende Collage gemacht, zu der er am Freitag an Violine, Keyboard und Sampler mit der Münchner Pianistin Masako Ohta improvisiert. Kapitel 1 heißt "lunar_tapes" und besteht ausschließlich aus Original-Samples, die sich zu einer Klanglandschaft formieren. Kapitel 2 ist "lunar_landings". Hierfür hat Muench Raketengeräusche von Apollo 11 bis 17 übereinander kopiert und verspricht: "Das wird sehr geräuschvoll sein." Kapitel 3 heißt "lunar_samples". Hier geht es um die Zeit auf dem Mond, also etwa das Sammeln von Mondgestein, bevor sich abschließend das Kapitel "lunar_rests" den Schlafperioden widmet.

Damit ist die Klangreise zum Mond aber nicht beendet. Denn am 27. Oktober steht im Einstein Kultur mit "lunar_materials" ein weiteres Konzert mit Masako Ohta an. Außerdem sind für 2019 mehrere Aktionen im neuen ESO Supernova Planetarium geplant, das am 28. April in Garching eröffnet. So will Muench eine Klanginstallation kreieren, die dann für längere Zeit dort laufen soll. Die zugehörige Komposition möchte er zudem konzertant mit Musikern umsetzen sowie eine CD und ein Hörstück für den Rundfunk produzieren. Das heißt: "lunar_samples" ist nur der erste kleine Schritt, und im Herbst und neuen Jahr geht es dann in großen Sprüngen auf dem Mond weiter.

Lunar_samples; Freitag, 20. April, 20 Uhr, Einstein Kultur, Einsteinstraße 42


© SZ, am 18. April 2018, von Jürgen Moises